Kapitel 5

Gute Arbeit weltweit

Gastbeitrag von Reiner Hoffmann

Reiner Hoffmann war von 2014 bis 2022 Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und ist seit 2020 Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in Brüssel. Im September 2022 ernannte ihn Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze zum SDG-Botschafter. Seit Februar 2023 ist er außerdem Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE).

Mit vereinten Kräften für gute Arbeit weltweit

Ich habe mich sehr gefreut, als mich Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze im September 2022 zum „SDG-Botschafter für gute Arbeit weltweit“ ernannt hat. Menschenwürdige Arbeit, faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für ein Leben in Würde und Wohlstand. Nur durch eine soziale Arbeitswelt gelingt gute Arbeit weltweit. Dafür brauchen wir eine nachhaltige Transformation globaler Lieferketten.

2014 war ich als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei der Gründung des Bündnisses für nachhaltige Textilien dabei. Heute, gut acht Jahre später kann ich sagen: Das Textilbündnis und seine Mitglieder können auf einen großen Erfolg zurückblicken. Gemeinsam ambitioniert voranzuschreiten war sicherlich nicht immer einfach und ist es angesichts der aktuellen multiplen Krisen und fragilen Lieferketten noch immer nicht. Das hat uns auch die Corona-Pandemie sehr deutlich vor Augen geführt.

Dennoch eint die Unternehmen, Verbände, NGOs, Standardorganisationen, Gewerkschaften und die Bundesregierung ein gemeinsames Ziel, das Sie nicht aus den Augen verlieren sollten: Eine sozial gerechte, ökologische und korruptionsfreie Textillieferkette.

2022 hat das Textilbündnis bewiesen, dass es mit dem Wandel in der Textil- und Bekleidungsbranche Schritt halten kann. Mit seiner Neuausrichtung hat es die Weichen gestellt, um Unternehmen bei der ambitionierten Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zu unterstützen und gleichzeitig deutlich darüber hinauszugehen und weiterhin Pionierarbeit zu leisten.

Ich begrüße die vier Fokusthemen, die das Textilbündnis im Zuge der Neuausrichtung gewählt hat:

Existenzsichernde Löhne sind aus gewerkschaftlicher Sicht zentral. Hier zeigt sich, wie wichtig Vereinigungs- und Organisationsfreiheit in den Produktionsländern und Betrieben ist. Gewerkschaften nehmen eine wichtige Rolle bei Lohnverhandlungen ein. Starke Gewerkschaften und handlungsfähige Arbeitgeberverbände sind ein wichtiger Grundbaustein auf dem Weg zu existenzsichernden Löhnen.

Geschlechtergerechtigkeit ist insbesondere in einer Branche elementar, in der die Mehrheit der Arbeiter*innen weiblich ist. Frauen und andere vulnerable Gruppen leiden besonders unter schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Die gezielte wirtschaftliche Stärkung von Frauen als Unternehmerinnen, Führungskräfte und Beschäftigte sowie eine Arbeitsmarktpolitik, die zu einer Gleichstellung der Geschlechter beiträgt, sind entscheidende Maßnahmen für gute Arbeit weltweit.

Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz sind in der Textilbranche eng miteinander verbunden. Es muss uns gelingen, die Umwelt- und Klimabelastung erheblich zu reduzieren. Doch dafür reicht eine Recyclingstrategie allein nicht aus. Unternehmen müssen sich Gedanken um die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle machen und Produkte von Grund auf neu denken. Das passiert zum Beispiel im Pilotprojekt Produktklone bereits und ich bin sicher, zukünftig wird das Textilbündnis hier – auch mit Blick auf die EU-Textilstrategie – weiter ambitioniert voranschreiten.

Beschwerdemechanismen und Abhilfe sind ein Schlüssel für gute Arbeit weltweit. Sie tragen erheblich dazu bei, dass Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden und Betroffene Abhilfe erhalten, wenn es doch zu Verstößen kommt. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan, doch insbesondere dort, wo Betroffene noch keinen Zugang zu wirksamen Mechanismen haben, sollten sich die Bündnismitglieder engagieren. 

Es ist entscheidend, in Multi-Stakeholder-Initiativen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Ungeachtet der unterschiedlichen Perspektiven und Interessen der Akteursgruppen im Textilbündnis steht die Zielerreichung im Mittelpunkt. Es zeigt sich, dass das, was die Zusammenarbeit oft so herausfordernd macht, gleichzeitig auch der Mehrwert von Multi-Stakeholder-Initiativen ist: Andere Arbeitsrealitäten und „Brillen“ zwingen sie alle immer wieder ihren eigenen Standpunkt zu überdenken und dadurch Wege einzuschlagen, die sie alleine nicht gegangen wären.

Nachdem das neue Konzept beschlossen ist, ist nun wichtig, auch ins Tun kommen. Denn es reicht nicht, sich anspruchsvolle Ziele zu setzen. Es kommt auch und vor allem auf die Umsetzung an.

Was wir hier in Europa an Gesetzen beschließen, ist das eine. Wichtig ist aber, dass es bei den Menschen in der gesamten Wertschöpfungskette ankommt. Die Globalisierung hat zu Wohlstand geführt – doch dieser Wohlstand ist ungleich verteilt. In den Ländern, aus denen wir unsere Waren beziehen, müssen grundlegende Arbeitsnormen eingehalten werden. Nur so kommen wir zu sozialer Gerechtigkeit. Unsere Anstrengungen müssen vor Ort ankommen.

Das Textilbündnis folgt dem „First Mover“-Prinzip. Wenn wir zeigen, dass es geht, wird es auch positive Auswirkungen auf andere haben. Wir müssen den Fortschritt, den wir hier erreicht haben, in die Breite tragen. In diesem Sinne wünsche ich dem Bündnis für nachhaltige Textilien und seinen Mitgliedern viel Erfolg und gutes Gelingen dabei.

Reiner Hoffmann 

Kapitel 4.3
Veranstaltungen
Kapitel 6
Woran wir arbeiten