Kapitel 4.3

Kreislaufwirtschaft und Klima

Fokusthema

Der Weltklimarat (IPCC) warnte im März 2023 in seinem sechsten Sachstandsbericht, dass die Erderwärmung von 1,5 Grad bereits im nächsten Jahrzehnt überschritten werde. Die OECD Guidance für den Bekleidungs- und Schuhwarensektor listet Treibhausgas-Emissionen als eines der Sektorrisiken. Mit dem Fokusthema Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz will das Bündnis für nachhaltige Textilien speziell die Ressourcennutzung adressieren. Mit Bündnisinitiativen sollen Mitglieder gemeinsam Wirkung vor Ort durch zirkuläre und ressourcenschonende Textilproduktion erreichen, inklusive reduzierter Treibhausgas-Emissionen. 

Nachdem im Jahr 2022 die Bündnismitglieder die Grundlagen für die Bündnisinitiativen legten, stand das Jahr 2023 unter der Entwicklung von Key Performance Indikatoren (KPIs) innerhalb des Strategiekreises. Die KPIs dienen dazu, den gemeinsamen Transformationsprozess im Hinblick auf die Reduktion von Primärrohstoffen sowie die Verminderung von Treibhausgasemissionen messbar zu machen. Dies soll in der textilen Lieferkette auf verschiedenen Ebenen dargestellt werden.  

Auf der Textilbündnis-Website finden Sie zu folgenden Aspekten weitere Informationen 

Bündnisinitiative (BI) Circular Down

Daunen und Federn können zwischen drei und fünf Mal wieder aufbereitet und neu verarbeitet werden. Wie? Als Füllmaterial für neue Bettwaren und selbst dann ist noch nicht Schluss. Nach Ablauf ihres Lebenszyklus können sie weiter als Dämmmaterial in der Bauwirtschaft oder sogar als Dünger im Gartenbau und in der Landwirtschaft eingesetzt werden.  

Damit eine solch nachhaltige Verwendung Common Practice wird, hat es sich die Bündnisinitiative Circular Down zur Aufgabe gemacht, Daunen und Federn möglichst lange nutzbar zu machen und sie als Füllmaterial für Bettwaren länger im Kreislauf zu halten. Zur Umsetzung sollen im Zuge des Projekts ausrangierte mit Daunen und Federn befüllte Bettwaren in Deutschland gesammelt und diese aufbereitet werden.  

Durch die längerfristige Nutzung und den damit verbundenen geringeren Bedarf an frischen Dauen und Federn können längere Transportwege und damit der CO2-Ausstoß insgesamt verringert werden. Um ein ganzheitlich nachhaltiges Produkt zu erhalten, müssen jedoch auch alle neu gewonnenen Daunen und Federn ohne Tierleid hergestellt werden. Besonders in Importländern wie China tauchen hierzu immer wieder Berichte über mangelndes Tierwohl auf. Daher setzt sich die BI Circular Down auch für die Einhaltung von Tierschutzstandards in der Federproduktion Chinas ein. Hierzu sollen im Laufe des Projekts Trainingsmaterialien für Mitarbeitende auf chinesischen Geflügelfarmen erstellt und Auditor*innen geschult werden.

Diese Mitglieder beteiligten sich an der BI Circular Down

Unternehmen:
Essenza Home, erlich textil

Zivilgesellschaftliche Akteure:
FairWertung

Weitere Kooperationspartner:
BTE Handelsverband Textil, Verband deutscher Federnindustrie e.V. (VDFI), BEVH

Bündnisinitiative (BI) Implementing Circularity

Eine kreislauffähige textile Kollektion, bei der die einzelnen relevanten Produktinformationen von Kleidungsstücken auf einen Blick für Brands, Hersteller, Sortierer, Recycler und Verbraucher*innen ersichtlich werden? Was nach Wunschdenken klingt, soll in der im Dezember 2023 gestarteten Bündnisinitiative Implementing Circularity Realität werden.  

Die Bündnisinitiative Implementing Circularity in the Textile Industry (ICT) zielt darauf ab, deutsche Modeunternehmen und ihre Lieferanten in den Produktionsländern Pakistan, Bangladesch, China und Indien dabei zu unterstützen, sowohl kreislauffähige Designs als auch einen digitalen Produktpass zu entwickeln. 

Hierzu werden sie bei der Auswahl nachhaltiger Materialien und zu den Auswirkungen ihrer Eigenschaften beraten und in der Anwendung vollständig kreislauffähiger Designkriterien geschult. Die infolgedessen produzierten Kleidungsstücke sollen schließlich mit einem digitalen Produktpass ausgestattet werden. Dies liefert Sortierern und Recyclern, aber auch Kund*innen am Ende der Nutzungszeit der Produkte alle notwendigen Informationen zur Materialzusammensetzung und Behandlung mit Chemikalien, um das passende Recyclingverfahren zu identifizieren. Dabei werden auch die dazugehörigen Zulieferer über kreislauffähige Designs und die Anforderungen der zukünftigen Ökodesign-Kriterien geschult und können dadurch einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Auf diesem Weg sollen alle in der textilen Wertschöpfungskette beteiligten Stakeholder auf die Umsetzung der EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorbereitet werden.  

Insgesamt sollen im Rahmen der Bündnisinitiative der Materialeinsatz, die vernichtete Ware und die CO2-Emissionen innerhalb von textilen Lieferketten mittelfristig reduziert werden.

Der Circular Design-Workshop in Berlin war der Kick-off für die Arbeit an den kreislauffähigen Produkten der Brands.

Unter der Leitung von circular.fashion arbeiteten Vertreter*innen aus verschiedenen Abteilungen der beteiligten Unternehmen in multidisziplinären Teams aus den Bereichen Design, Nachhaltigkeit und Einkauf zusammen.

Gemeinsam analysierten und überarbeiteten sie während der zweitägigen Veranstaltung insgesamt acht Produkte.

Schritt für Schritt setzten sie zirkuläre Designstrategien um und machten die Kleidungsstücke auf innovative Weise recycelbar, langlebig, wandelbar und reparierbar.

Diese Mitglieder beteiligten sich an der BI Implementing Circularity

Unternehmen:
Aldi Süd, Blutsgeschwister, KiK, Otto Group mit Otto und Bon Prix, Snocks, Tchibo, BoerGroup, Texaid

Zivilgesellschaftliche Akteure:
FairWertung

Bündnisinitiative (BI) Supplier Decarbonization

Schätzungen zufolge ist die Textilindustrie für 10% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Der Großteil der Emissionen entsteht in Produktionsländern in Asien bei der fossilen Energieerzeugung und während der Produktion in den Lieferketten. Diese liegt jedoch meistens außerhalb des Geschäftsbereichs europäischer Marken und Hersteller. Eine Umstellung der Produktionsstätten auf erneuerbare Energien lässt sich oftmals nicht so einfach bewerkstelligen, da entweder Strom, Wärme und Energie nicht gesichert verfügbar sind oder die Kosten zu hoch ausfallen. Nicht zuletzt sind Daten zu den Emissionen der Wertschöpfungskette (sog. Scope-3-Emissionen) kaum vorhanden. Da sie keinem Unternehmen direkt zuordenbar sind, gibt es wenig Anreize und Verpflichtungen zur Reduktion.  

Dies hat zur Folge, dass die Bevölkerung in den Produktionsländern durch Klimawandel-bedingte Extremwetterphänomene und die Luftverschmutzung im Umkreis der Textilfabriken doppelt von den Auswirkungen der Emissionen betroffen ist.  

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde im September 2023 die BI Supplier Decarbonization ins Leben gerufen, um langfristig den Ausstoß von Treibhausgasen in der Textillieferkette zu reduzieren. Hierzu werden Beschäftigte von rund 50 Zuliefererbetrieben beteiligter Bündnismitglieder in Bangladesch und Pakistan in sogenannten „Climate Action Trainings“ (CAT) zu den Klimaauswirkungen der Textilproduktion geschult. Jeder Betrieb ist schließlich dazu angehalten mindestens drei energiesparende Maßnahmen umzusetzen und sich langfristige Reduktionsziele zu setzen.  Insgesamt sollen somit 150 Energieeffizienz-Maßnahmen in den Produktionsstätten umgesetzt werden.  

Ergänzend zu diesen Maßnahmen soll im Rahmen der Initiative eine Studie durchgeführt werden, welche die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzungen auf die ansässige Bevölkerung untersucht. Die Idee ist, dass auf Basis der erhobenen Daten passende Abhilfemechanismen entwickelt werden. 

Diese Mitglieder beteiligten sich an der BI Supplier Decarbonization

Unternehmen:
Adler, DELTEX, Gebr. Heinemann, JAKO, KiK, Lidl, Otto Group, Sockswear, Takko, WIBU

Zivilgesellschaftliche Akteure:
BlueSign, Fashion Revolution Germany, NABU, UBA

Weitere Kooperationspartner:
50 Produktionsstätten, Stakeholder der Gemeinden (Karatchi und Dhaka) 

Pilotprojekt Produktklone I und II

Gegenwärtig folgen Produktion und Konsum in der Textil- und Bekleidungsindustrie einem linearen Wirtschaftsmodell, das daraus besteht, dass ein beträchtlicher Teil der Produkte am Ende nicht recycelt, sondern entsorgt wird. Die darin enthaltenen Rohstoffe und die dafür aufgewandte Energie bleiben ungenutzt und gehen verloren. Entscheidend ist es daher, bereits beim Produktdesign und der Produktentwicklung anzusetzen. Denn bis zu 80 % der Umweltauswirkungen – von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung und Nutzung von Produkten bis zu deren Entsorgung – werden bereits in der Entwicklungsphase vorherbestimmt.  

Genau da setzte das im Jahr 2023 erfolgreich abgeschlossene Pilotprojekt Produktklone I und II an – beim Design und den möglichen Barrieren der Recycling- und Kreislauffähigkeit von existierenden Produkten. Die teilnehmenden Bündnisunternehmen wählten hierzu zehn ihrer Produkte aus, die in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung der Hochschule Niederrhein auf Zirkularitätskriterien wie Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Material- und Energieeffizienz, Minimierung problematischer Stoffe und Verwendung nachwachsender Rohstoffe untersucht wurden.  

Basierend auf den Untersuchungen wurden schließlich gemeinsam mit den Unternehmen Lösungsansätze entwickelt. Das Ergebnis: „geklonte“ Produkte mit der gleichen Funktionalität, aber mit nachhaltigeren Materialen oder Schnitten. Zu jedem Produkt wurde ein Bericht für die Produktion entwickelt, auf dessen Grundlage zukünftigen Produkte nachhaltiger und vor allem kreislauffähiger werden. 

Diese Mitglieder beteiligten sich an dem Pilotprojekt Produktklone

Produktklone I

Unternehmen:
Vaude Sport GmbH & Co., Dibella b.v., Deuter Sport GmbH, IVY OAK GmbH, NKD Group GmbH, Brands Fashion GmbH, Ortovox Sportartikel GmbH, Hopp KG, Sympatex Technologies GmbH

 

Produktklone II

Unternehmen:
Hakro, Seidensticker, s.Oliver, Blutsgeschwister

Weitere Kooperationspartner:
Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung (FTB) – Hochschule Niederrhein

Kapitel 4.2
Löhne und Einkaufspraktiken
Kapitel 4.4
Geschlechtergerechtigkeit