Kapitel 2
Grußwort
Von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze


Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Copyright: BPA/Steffen Kugler
Liebe Bündnismitglieder, liebe Leser*innen,
die internationale Zusammenarbeit steht in Deutschland zunehmend unter Druck. Zuletzt waren in der politischen Debatte vermehrt Forderungen zu hören, Deutschlands internationales Engagement gegen Armut, Hunger und Klimawandel zurückzufahren. Es gab Versuche, unsere nationalen Bedarfe und unsere internationale Zusammenarbeit gegeneinander auszuspielen. Mit gezielten Fehlinformationen wurde Stimmung gegen die Entwicklungspolitik und gegen internationale Solidarität gemacht.
Diese Forderungen sind kurzsichtig und gefährlich. Sie lösen keines der Probleme, vor denen wir in Deutschland und weltweit stehen, sondern sie verschärfen sie sogar. Als global vernetzte Wirtschaft können wir es uns in Deutschland nicht leisten, uns in unser Schneckenhaus zurückzuziehen. Das wissen Sie als Vertreter*innen und Kenner*innen der deutschen Textilbranche am besten. Sie erleben jeden Tag, dass wir auf unsere Partner*innen weltweit angewiesen sind, um in einer globalisierten Welt etwas zu erreichen. Dass es Vertrauen und starke Partnerschaften braucht. Dass sich die Krisen und Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam bewältigen lassen.
Als Bündnis für nachhaltige Textilien gehen Sie hier mit gutem Beispiel voran. Dabei ist es ein wichtiger Schritt, dass Sie mit der Neuausrichtung des Bündnisses nun noch stärker auf das gemeinsame Handeln der Bündnismitglieder setzen. Damit setzen Sie auch das um, was das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fordert. Denn das Herzstück des Gesetzes ist nicht die Berichterstattung. Es geht vielmehr darum, gezielt gegen Missstände entlang der Lieferkette vorzugehen. Zusammen mit anderen Mitgliedern erreichen Sie dabei im gemeinsamen Engagement mehr als alleine – und bewirken so messbare soziale und ökologische Verbesserungen in der Textillieferkette. Damit die Textilarbeiter*innen von ihrer Arbeit leben und ihre Familien ernähren können. Damit Textilien kreislauffähiger werden und die Umwelt besser geschützt wird. Und damit Frauen, die die Mehrheit der Beschäftigten in der Textilproduktion stellen, keine Gewalt oder Diskriminierung am Arbeitsplatz fürchten müssen.
Ein gutes Beispiel, wie das gelingen kann, ist das Dindigul Agreement to end Gender-Based Violence and Harassment in Indien. Täglich erleben Frauen in indischen Textilfabriken geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung. Das rechtsverbindliche Dindigul Agreement zwischen internationalen Modeunternehmen, Gewerkschaften und Zulieferbetrieben nimmt Brands und Fabriken in die Pflicht, um dem ein Ende zu setzen. Es sieht unter anderem Trainings, Schutz vor Diskriminierung und vor Vergeltung sowie einen unabhängigen Beschwerdemechanismus vor. Durch den permanenten Einsatz von Gewerkschafter*innen in den Fabriken wird die Sicherheit der Frauen am Arbeitsplatz spürbar verbessert.
Das maßgeblich von der frauengeführten indischen Gewerkschaft TTCU mitgestaltete Abkommen stellt einen wichtigen Schritt dar, um eine Null-Toleranz-Strategie gegen geschlechtsspezifische Gewalt durchzusetzen. Ich begrüße es sehr, dass Sie als Bündnismitglieder dazu beitragen, nach dem Vorbild des Dindigul Agreements weitere Abkommen mit Textilfabriken aufzusetzen, zusätzliche Unternehmen zur Mitarbeit zu bewegen und lokale Kapazitäten für die Umsetzung aufzubauen. Denn so können noch mehr indische Textilarbeiter*innen sicher arbeiten, am wirtschaftlichen Leben teilhaben und ihre Rechte wahrnehmen.
Das Dindigul Agreement zeigt, wie wichtig und erfolgreich Lösungen sind, die von den Menschen vor Ort selbst erarbeitet werden. Lösungen, die auf lokalen Strukturen basieren und von Akteur*innen vor Ort getragen werden, insbesondere von lokalen Gewerkschaften. Solche Lösungen und Strukturen, mit denen die Menschen ihre Arbeitssituation selbst verbessern wollen, gilt es zu unterstützen. Ich möchte Sie als Bündnismitglieder deshalb darin bekräftigen, diesen Weg weiterzugehen und die lokalen Stakeholder – insbesondere Textilarbeiter*innen, lokale Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen – noch stärker und systematischer in die Arbeit des Bündnisses einzubinden. Nur so lassen sich effektive und nachhaltige Verbesserungen in der gesamten Textillieferkette bewirken.
Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.
Svenja Schulze
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung